Erfundene Vereine. Betrug mit Kleidersammlungen in Berlin: Unseriöse Sammler Unterwegs
Berlin. Um Altkleidercontainer herum entstehen oft Mülldeponien. Gemeinnützige Organisationen sind ratlos, wer in ihrem Namen um Spenden bittet.
Artikel von Philipp Hartmann, Bezirksreporter für Treptow-Köpenick bei der Berliner Morgenpost in der Ausgabe vom 19.11.2025
Es ist ein Problem, das immer wieder in Berlin auftaucht: überfüllte Altkleidercontainer.
In Köpenick ärgerten sich Anwohner sehr lange darüber, wie auf dem Parkplatz zwischen dem Allende Center und dem Discounter Aldi an der Müggelheimer Straße ein Wäscheberg rund um zwei volle Container immer größer wurde. Dutzende Meldungen gingen deswegen beim Ordnungsamt ein. Die Container wurden offenbar über Monate nicht geleert. Immer mehr Menschen stellten ihre alten Klamotten dazu. Irgendwann wurden auch Ratten gesichtet.
Kurz nachdem die Berliner Morgenpost Ende Oktober eine Anfrage an das Bezirksamt Treptow-Köpenick zu dem Standort verschickt hatte, wurden die verstreut um die Container herumliegenden Kleidungsstücke weggeräumt. Ein weiterer Container, der hinter dem Allende Center auf einer Privatfläche stand und ebenfalls überfüllt war, wurde mittlerweile komplett entfernt.
Altkleidercontainer in Berlin: Betrug mit gefälschten Vereinslogos und Kontaktdaten.
An anderen Orten im Bezirk und auch in weiteren Bezirken lässt sich dagegen weiter beobachten, wie Altkleidercontainer immer wieder zu illegalen Mülldeponien heranwachsen. Wie jetzt eine Anfrage des Abgeordneten Martin Sattelkau (CDU) und weitere Recherchen zeigen, kommt es dabei offenbar zu weit verbreiteten, betrügerischen Machenschaften. So sind auf den Containern Namen und vermeintliche Kontaktdaten von Organisationen abgebildet, die mit den Kleidersammlungen gar nichts zu tun haben.
Martin Sattelkau hatte in den vergangenen Wochen und Monaten mehrere Beiträge auf seiner Facebookseite zu den Altkleidercontainern rund um das Allende Center veröffentlicht. Der inzwischen entfernte rote Container direkt am hinteren Eingang des Centers an der Pablo-Neruda-Straße wurde seinen Informationen nach unerlaubt dort abgestellt. Dazu hatte er auf einen Austausch mit dem Centermanagement verwiesen.
Auf diesem Container wurde mit einem großen Logo sowie einem roten Kreuz suggeriert, dass die Kleidersammlung vom Verein Berliner Obdachlosenhilfe durchgeführt wird.
Berliner Obdachlosenhilfe betreibt keine Kleidersammelcontainer
Das ist aber nicht der Fall. „Wir besitzen und betreiben keine Kleidersammelcontainer“, teilt der Verein auf Morgenpost-Anfrage mit. Die Berliner Obdachlosenhilfe sei in erster Linie eine mobile Suppenküche, die von Ehrenamtlichen betrieben wird. „Der Begriff ‚Berliner Obdachlosenhilfe‘ ist nicht geschützt und wird von allen möglichen Menschen für unterschiedlichste Zwecke benutzt. Anscheinend auch ab und zu für das Aufstellen von nicht genehmigten Kleidercontainern. Das geschieht meistens in den Randbezirken wo wir nicht unterwegs sind“, erklärt ein Mitarbeiter.
„Zu den Containern am Allende Center haben uns inzwischen einige Anfragen erreicht“, bestätigt er. Ein rotes Kreuz in Verbindung mit dem Begriff Obdachlosenhilfe solle wohl Menschen zum Spenden anregen. Man habe aber weder „weitergehendes Wissen zum eigentlichen Betreiber“ noch die Kapazitäten, in der Sache etwas zu unternehmen.
Verein Ukraine-Hilfe Berlin dementiert Beteiligung an den Kleidersammlungen
Auf den beiden blauen Containern zwischen Allende Center und Aldi fallen große Aufkleber einer „Internationalen Kinder und Unterstützungsgemeinschaft“ (IKUG) auf.
Diese wirbt um Spenden und gibt als Kontaktmöglichkeit die E-Mail-Adresse „ukraine-hilfe-ev-berlin@mail.de“ an. Hierzu erhielt CDU-Politiker Martin Sattelkau die Auskunft aus der Verwaltung, es habe keine verlässliche öffentliche Bestätigung dafür gefunden werden können, dass die Organisation IKUG mit dieser E-Mail-Adresse offiziell registriert ist oder unter dieser exakten Bezeichnung im Vereinsregister geführt wird.
Im Internet ist eine IKUG nicht zu finden. Auf Nachfrage erklärt auch der Verein Ukraine- Hilfe Berlin, nicht zu wissen, ob eine Organisation mit diesem Namen überhaupt existiert. „Ich bestätige Ihnen, dass der Verein Ukraine-Hilfe Berlin e.V. in keiner Form Altkleidercontainer betreibt“, schreibt Vorstand Oksana Motus. Die genannte E-Mail-Adresse gehört ihrer Auskunft nach „nicht zu unserem Verein“. Sie ist deshalb besorgt um die öffentliche Wahrnehmung der Ukraine-Hilfe Berlin.
Diese Tipps gibt die Verbraucherzentrale
Das Phänomen, dass Unbekannte im Namen von Vereinen um Kleiderspenden bitten, um sie anschließend zu verkaufen, ist nicht ganz neu. Die Verbraucherzentrale hat auf ihrer Internetseite eine zuletzt im Juli aktualisierte Übersicht veröffentlicht, woran seriöse Kleidersammlungen zu erkennen sind. Merkmale für seriöse Sammler sind demzufolge zum Beispiel die Erreichbarkeit mit einer deutschen Adresse und einer Festnetznummer. Oft ist auch das Logo „FairWertung“ oder das „BVSE-Qualitätssiegel Alttextilsammlung“ auf den Containern zu finden.
Die Verbraucherzentrale warnt: „Längst ist der Altkleidermarkt ein Millionengeschäft, bei dem auch unseriöse Firmen mitmischen. Solche Geschäftemacher erwecken den Anschein der Wohltätigkeit, behaupten etwa, ‚Projekte zur Beseitigung von Armut und Not‘ zu unterstützen. Tatsächlich wirtschaften manche Sammler nur in die eigene Tasche. Zu ihren Strategien zählt zum Beispiel, unter falschem Namen aufzutreten – oder sie wählen einen wohltätig klingenden Namen, ohne wirklich wohltätig zu sein.“
Weiter heißt es, dass unseriöse Sammler „vielfach mit Symbolen werben, die an karitative Organisationen erinnern, wie etwa ein Kreuz oder eine Kirche“.
Auch das Problem der immer wieder auftretenden Müllansammlungen rund um die Altkleidercontainer könnte damit zusammenhängen, dass keine seriösen Sammler dahinterstecken. „Erfahrungsgemäß ist leider festzustellen, dass an diesen Örtlichkeiten sowie an weiteren Aufstellorten im Bezirk leergeräumte Altkleidercontainer bereits nach kurzer Zeit wieder überfüllt sind und sich im Umfeld erneut Abfälle ansammeln“, so das Bezirksamt Treptow-Köpenick auf Anfrage von Martin Sattelkau.
Das Straßen- und Grünflächenamt wurde daher um Prüfung gebeten, „ob betreffende Altkleidercontainer an diesen Örtlichkeiten entfernt bzw. an eine andere Örtlichkeit verlegt werden können“
Den Artikel finden Sie unter https://www.morgenpost.de/bezirke/treptow-koepenick/article410489384/betrug-mit-kleidersammlungen-in-berlin-unserioese-sammler-unterwegs.html